Liebe – Bedürfnis und Auftrag
Liebe ist das Bestimmende unserer Existenz. Unser Liebesbedürfnis geht in zwei Richtungen. Einerseits drückt es sich im Wunsch aus, geliebt zu werden und andererseits sehnen wir uns danach, jemanden lieben zu dürfen und dass unsere Liebe angenommen wird. Wie viel tun wir, um von den Mitmenschen geliebt zu werden? Wie oft senden wir Signale aus, um Liebe zu bekommen und wie sehr schmerzt es manchmal, wenn uns Mitmenschen die erwartete Liebe verweigern?
In einem Gespräch darüber, wie Beziehungen gelingen können, wurde mir wieder deutlich bewusst, dass unser Schöpfer selber das Fundament für das Gelingen von Beziehungen gelegt hat. Dabei ging es ihm nicht nur um Paarbeziehungen, sondern um das Verhältnis aller Menschen zueinander.
Sechs von zehn Geboten befassen sich mit dem Verhalten der Menschen zueinander. Es beginnt damit, dass wir einander Respekt und Wertschätzung geben. Daraus ergibt sich die logische Konsequenz, dass wir einander ein Recht auf Leben zugestehen und weder den Besitz, noch den Körper des anderen antasten sollen. Die Entscheidung, dem anderen das gleiche Recht auf Existenz und Autonomie zu geben, wie ich für mich selber in Anspruch nehme, ist bereits eine Form von Liebe.
Jesus hat den Anspruch des Schöpfers an die Menschen deutlich gemacht, als er sagte: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft lieben. Und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.” (Neues Leben Bibel, Markus-Evangelium, Kapitel 12, Verse 30-31). Damals legte Jesus den Finger ebenso auf die Schwachstelle des Fragenden, als es wahrscheinlich jeden von uns treffen würde. Die Schwachstelle damals war scheinbar seine Rechthaberei und seine mangelnde Liebe zu seinen Mitmenschen. Dabei soll diese Liebe zum Nächsten nicht zu einem Leistungsprogramm verkommen, sondern widerspiegeln, was ich selber in meinem Leben erfahren habe.
So wie wir eine Beziehung zu uns selber und den Mitmenschen haben, ob sie nun gut oder schlecht ist – so ist jeder Mensch darauf angelegt, eine Beziehung mit Gott zu haben. Wer das nicht will, wird sich einen Gott-Ersatz suchen. Wir sind wie ein Gefäß, aus dem Gottes Liebe auf andere Mitmenschen überfließen kann. Jesus drückte es so aus: „Wer an mich glaubt, aus dessen Innerem werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Neues Leben Bibel, Johannes-Evangelium, Kapitel 7, Vers 38).
Die Liebe kann in zwei Richtungen fließen: Gottes Liebe will durch mich hindurch – hin zu meinen Mitmenschen fließen. Nicht etwa an mir vorbei! Dabei soll ich der Erste sein, der davon profitiert. Die Liebe, welche mir von den anderen entgegenkommt, bewirkt in mir wieder Dankbarkeit und größere Liebe zu Gott hin. Wenn das nicht so ist, entsteht ein Ungleichgewicht.
Gottes Auftrag ist unmissverständlich: Mit allem, was zu uns gehört, sollen wir uns in die Beziehung zu ihm investieren: unser Herz, unsere Emotionen, unser Denken, unsere Körperkraft – alles, soll in sie hineinfließen. Gott will in unserem Herzen den ersten Platz einnehmen. So wird aus unserem Bedürfnis eine große Herausforderung, der wir uns stellen müssen: Wir sollen Gott unsere ungeteilte Zuwendung schenken.
Mein Menschenbild – mein Gottesbild
Wir haben alle eine Geschichte mit anderen Menschen. Viele Menschen haben durch ihr Leben, meine Einstellung zu mir selber und anderen Menschen geprägt. Manche Prägungen entstanden durch meine Interpretation des Verhaltens meines Umfeldes. Durch das Bild, das wir uns von unseren Mitmenschen machen, wird auch unsere Gottesbeziehung stark beeinflusst. Das Bild, das wir vom anderen haben, erleichtert es uns, ihn zu lieben, oder kann es uns auch unmöglich machen, Gottes Liebe zu erwidern.
Was in der Beziehung zu Gott wirklich zählt, ist dabei welches Gottesbild wir in unserem Herzen tragen. Es kann negativ geprägt sein durch die Erfahrungen mit einem unberechenbaren, lieblosen menschlichen Vater oder einer Mutter, die ihre Liebe nicht so weitergeben konnte, wie wir es gebraucht hätten. Da gibt es schmerzvolle Erfahrungen durch scheinbar nicht erhörte Gebete oder enttäuschte Erwartungen an Gott.
Oft haben wir auch eine unzutreffende Definition von Gottes Liebe: Viele erwarten, dass Gott er uns das Schwere erspart und das Leiden verhindert, dass er uns einfach glücklich macht. Menschen mit dieser Einstellung tun sich besonders schwer, wenn sie leidvolle Erfahrungen machen und Schicksalsschläge sie treffen. Da kommen so schnell die Fragen nach dem Warum. Manchmal müssen wir durch schmerzvolle Erfahrungen hindurch, damit wir die Erfahrung machen können: Gott ist da. Gott ist in jeder Situation da, auch wenn wir meinen, dass er nicht da ist.
Beziehungen brauchen Pflege, dazu müssen wir uns die Zeit nehmen. Das gilt auch für die Beziehung zu Gott. Gott sehnt sich nach uns und wir fehlen ihm, wenn wir uns keine Zeit für ihn nehmen. Und wenn es nur ein paar Minuten pro Tag sind, in der es ausschließlich um die Liebesbeziehung zwischen Gott und seinem geliebten Kind geht.
Ich denke, das ist eine der größten Herausforderungen in der heutigen Zeit für uns. Jesus lebte ganz aus der Beziehung zum Vater. Er verbrachte viel Zeit mit ihm, und er suchte immer wieder seine Gemeinschaft. Es ist von großer Bedeutung, dass wir Wege finden, täglich bei Gott aufzutanken, um aus seiner Kraft zu leben. Aus dieser Beziehung ist es möglich Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit ganzen Kraft und all unseren Gedanken zu lieben und unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst.
Helmut Malzner, Diplom Lebens- und Sozialberater, Supervisor, www.coachingteam.info
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Ehe und Familien Bausteine Nr. 101. Sie können diese Zeitschrift kostenlos als pdf-Datei bekommen, wenn Sie sich beim Newsletter anmelden.
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