Auf die Gedanken achten

Sind positive Dinge immer gut und negative Dinge immer nur schlecht? Ist Glück immer Glück und Pech immer Pech? Wenn wir unsere Stimmung von den äußeren Umständen abhängig machen, dann wir unser Leben einer Berg- und Talfahrt gleichen. Vielleicht ist die Situation ganz anders als sie auf den ersten Blick scheint.

Negative Nachrichten hat niemand gern. Das kaputte Auto, bei einem dringenden Termin, die Kaffeemaschine, die genau dann den Geist aufgibt, wenn die Gäste um den Tisch sitzen oder Konkurs der Firma, bei der man vor kurzem den neuen Job antrat, das alles kann ziemlich nerven. Andere Menschen geraten in eine Krise, weil der Befund ihres Arztes ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

Krisenzeiten sind immer mit Druck verbunden und fordern Entscheidungen. Viele erleben Hilflosigkeit, Angst und Panik und fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Der Stress ist oft so groß, dass sich die Wahrnehmung nur mehr auf das Problem reduziert und kaum mehr Ressourcen für andere Dinge zur Verfügung stehen. Dabei können Krisen ein enormes Potential für das persönliche Wachstum und Entwicklung beinhalten. Überstandene Krisen bringen Lebenserfahrung und dienen dem Reifungsprozess. Eine schwierige Situation wird oft erst dann zur Krise, wenn ich sie als Krise bewerte. So wird der eine sich über die Herausforderung freuen, weil er seine Kompetenzen unter Beweis stellen kann und ein anderer wird bei der gleichen Anforderung Gefühle der Ohnmacht bekommen. Meine Gedanken, wie ich an eine Situation herangehe, haben großen Einfluss auf den weiteren Verlauf.

Dinge, die ich nicht ändern kann, soll ich stehen lassen und da hilft es zu sagen „Es ist wie es ist“. Es hat zum Beispiel keinen Sinn, dagegen ankämpfen zu wollen, wenn ich mir das Bein gebrochen habe. Was wir brauchen ist Weisheit, änderbare und nicht veränderbare Situationen unterscheiden zu können. Das spart eine Menge unnötiger Energie.

Die nachfolgende Geschichte zeigt, wie unterschiedlich wir Situationen betrachten können und wie wichtig es ist, auf Gedanken achten:

In einem Dorf lebte ein Bauer, der hatte ein Pferd. Und weil er der einzige Bauer im Dorf war, der ein Pferd hatte, sagten die Leute: „Oh, so ein schönes Pferd, hat der ein Glück!“ Und der Bauer antwortete: „Wer weiß?!“

Eines Tages brach das Pferd des Bauern aus seiner Koppel aus und lief weg. Der Bauer sah es noch davongaloppieren, aber er konnte es nicht mehr einfangen. Am Abend standen die Leute des Dorfes am Zaun der leeren Koppel. Manche grinsten schadenfreudig und andere waren voller Mitleid und sagten: „Oh der arme Bauer, sein einziges Pferd ist weggelaufen. Jetzt hat er kein Pferd mehr, der Arme!“ Der Bauer hörte das wohl und murmelte nur: „Wer weiß?!“

Ein paar Tage später sah man morgens auf der Koppel des Bauern das schöne Pferd, wie es mit einer wilden Stute im Spiel hin und herjagte: sie war ihm aus den Bergen gefolgt. Groß war der Neid der Nachbarn, die sagten: „Oh, was hat der doch für ein Glück!“ Aber der Bauer sagte nur: „Wer weiß?!“

Eines schönen Tages im Sommer dann stieg der einzige Sohn des Bauern auf das Pferd, um es zu reiten. Schnell machte die Neuigkeit die Runde und das halbe Dorf schaute zu, wie er stolz auf dem schönen Pferd ritt. Und die Menschen sagten: „Aah, wie hat der es gut!“ Plötzlich schreckte das Pferd, bäumte sich auf und der einzige Sohn des Bauern fiel hinunter und brach sich beide Beine. Und die Nachbarn schrien auf und sagten: „Oh, der arme Bauer: Sein einziger Sohn! Ob er jemals wieder wird richtig gehen können? So ein Pech! Der Arme.“ Aber der Bauer sagte nur: „Wer weiß?!“

Einige Zeit später wurde das ganze Dorf aus dem Schlaf gerissen, als gegen Morgen ein wildes Getrappel auf den Straßen zu hören war. Die Soldaten des Herrschers kamen in das Dorf geritten und holten alle jungen Männer aus dem Bett, um sie in den Krieg mitzunehmen. Der Sohn des Bauern, mit den gebrochenen Beinen, konnte nicht mitgehen und sie ließen ihn zu Hause. Und die Dorfbewohner sagten: „Was hat doch der für ein Glück!“ Und der Bauer murmelte: „Wer weiß?!“

(Quelle unbekannt)

Helmut Malzner, Diplom Lebens- und Sozialberater, Supervisor, www.coachingteam.info

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Ehe und Familien Bausteine Nr. 101. Sie können diese Zeitschrift kostenlos als pdf-Datei bekommen, wenn Sie sich beim Newsletter anmelden.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar