Aufbruch in ein neues Leben
Es gehört viel Mut dazu, aus einem gewohnten Umfeld in ein neues Leben aufzubrechen. Das Ehepaar Elisabeth und Kristian fasste diesen Entschluss, mit Kristians Wechsel in den Ruhestand auch in ein völlig neues Umfeld zu gehen.
Seit fast drei Jahrzehnten wohnten wir in unserem schönen Haus im Salzburger Land. Die Kinder haben ihre eigenen Familien und ich konnte in aller Ruhe meinen Beruf im Studio des eigenen Hauses ausüben. Fast dreißig Jahre arbeitete ich selbständig als Beraterin für Gesichts-und Körperpflege. Unser Haus war etwas Besonderes. Dort hatten wir mit der Großfamilie und Freunden viele Feste gefeiert. Für mich war es immer eine große Freude solche Familienfeste zu planen und zu organisieren. Da musste einfach alles zusammenpassen vom Tischschmuck über das Geschirr und die Essensgänge. Beim Kochen und Backen war ich so richtig in meinem Element. Sicher war es auch mit viel Mühe und Kraft verbunden, doch die Freude gewann immer die Oberhand.
Der Schock sitzt tief
Zwei Wochen vor unserem nächsten geplanten, großen Fest kam mein Mann von einer Untersuchung beim Arzt heim mit den Worten: „Schatz, es ist doch bösartig!“ Fassungslos stand ich da und war geschockt. Zwei Stunden vorher hatten wir den Auftrag für den Fensteraustausch unseres Hauses unterschrieben. Vor dem Pensionsantritt meines Mannes wollten wir am Haus noch einiges renovieren. Die Diagnose hat uns sehr getroffen. Wie sollte es nun weitergehen?
An einem wunderschönen Frühlingstag nach einer Untersuchung gingen wir bei strahlendem Sonnenschein Händchenhaltend die Salzach entlang. Ich weiß nicht mehr wie viele Menschen unterwegs waren. Ich spürte nur Kristian an meiner Seite und es verband uns eine tiefe innige Liebe und Zusammengehörigkeit wie ich sie so noch nie gespürt hatte. Dennoch stand die ganze Zeit die Frage im Raum, wie es weitergehen sollte? Zunächst verschoben wir diese Frage und beschlossen, unser geplantes Familienfest zu feiern. Egal, was die Zukunft bringen würde, es sollte ein schönes gemeinsames Fest mit den Kindern, Enkelkindern, Geschwistern und Freunden werden. Es fiel mir nicht so leicht, richtig fröhlich zu sein, denn da waren ständig die Gedanken, dass es vielleicht das letzte Fest mit Kristian sein könnte.
Kristians Diagnose war sehr schlecht. Werden die Ärzte den Krebs in den Griff bekommen, wo doch die Metastasen bereits in den Knochen waren? Kristian hatte damals bis zu seiner Pensionierung noch zwei Jahre zu arbeiten.
Ängste und Sorgen
Was sollte mit unserem Haus geschehen? Alleine würde ich es finanziell nicht halten können. Es standen für die nächsten Jahre einige Renovierungen an. Der schlimmste Gedanke für mich war, dass Kristian sterben würde und ich dann das Haus verkaufen müsste. Was sollten wir machen? Wie könnten wir uns auf diese Extremsituation vorbereiten?
Ich bin in Wien aufgewachsen und schon als zehnjähriges Mädchen war es mein Wunsch in Salzburg zu leben. Ich liebte die Umgebung im Salzburger Land. Wir begannen nach einer passenden Wohnung in der Umgebung zu suchen. Das hätte im Alter vielleicht Vorteile. Ich wollte unbedingt in dieser Gegend bleiben. Wir hatten beinahe dreißig Jahre in diesem Haus gewohnt und alle meine Freunde waren hier. Doch im Raum Salzburg eine leistbare Wohnung zu finden, schien unmöglich. Wir beteten zu Jesus um Hilfe und Klarheit. Kristian war noch intensiver und konkreter im Gebet als ich. Eines Tages kam er zu mir, um mir seine neuesten Gedanken mitzuteilen. In meinem Innersten ahnte ich, dass es um etwas Außergewöhnliches gehen würde. Dann legte er los: “Schatz, ich habe den Eindruck wir sollen das Haus hier verkaufen und ganz woanders hinziehen – zum Beispiel ins Burgenland.“ fügte er nach längerer Pause hinzu. „Dort könnten wir uns wahrscheinlich eine Wohnung leisten.“ Sein Blick ruhte gespannt auf mir. Er wusste ja, wie sehr ich an unserer Umgebung hing. Ich hob meinen Kopf, schaute ihm in die Augen und sagte: „Dann lass uns suchen, ich kann es auch sehen.“ Mit dieser Reaktion hatte Kristian absolut nicht gerechnet. Wir begannen die Wohnungssuche im Osten Österreichs. Schließlich kam eine Wohnung in Schwanberg in der Steiermark, südlich von Graz, in die engere Wahl.
Abschied nehmen
Innerhalb von drei Monate konnten wir unser bisheriges Haus verkaufen. Die größte Herausforderung für uns war, den Haushalt aufzulösen und das Haus, mit dem uns dreißig Jahre Geschichte verbunden hatten, loszulassen.
Weihnachten 2014 veranstaltete ich in unserem Haus zum letzten Mal eine Präsentation für meine Kundinnen und verabschiedete mich von ihnen. An unserem neuen Wohnort wollte ich das Geschäft nicht von neuem aufbauen. Das fiel mir sehr schwer, denn Kundenberatung hatte ich sehr gerne gemacht, gab es doch dabei auch viele persönliche Gespräche. Diese Zeit mit meinen langjährigen Kundinnen war nun zu Ende. Ich war traurig und mir wurde bewusst, dass auch andere Frauen in diesem Alter in Pension gehen und aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden. Mit der Hoffnung, dass der eine oder andere Kontakt wohl weitergehen würde, versuchte ich, mein Geschäft loszulassen. Ein letztes Mal feierten wir als Familie Silvester in unserem bisherigen Haus. Die Stimmung war eigenartig. Wir standen mit Glühwein gemeinsam als Familie mit Nachbarn auf der Terrasse. Alles war so schön und vertraut. In meinem Herzen machte sich Wehmut breit und die Tränen begannen zu fließen. Zugleich freute ich mich auf unsere neue Heimat.
Loslassen lernen
Ich begann unsere Übersiedlung vorzubereiten. Was sollte mitkommen und wovon möchte mich endgültig trennen und wem könnte ich diese Dinge schenken. Mein Ziel war es vor dem Umzug alle unsere Sachen vom Dachboden bis zum Keller durchzusortieren und gut zu verpacken. Ich wollte kein Durcheinander. So habe ich diesen Umzug und das Verabschieden von vielen mir liebgewonnenen Dingen bis zum letzten Tag buchstäblich zelebriert.
In meiner Ausbildung zur Lebensberaterin hatte ich mich kurz vorher intensiv mit dem Thema Trauer, Loslassen und Neuanfang beschäftigt. Jetzt konnte ich dieses Wissen für mich selber anwenden. Umrahmt wurde diese Trauer arbeit von einem wunderschönen Hausabschiedsfest. Dafür hatten unsere Kinder etwas ganz Tolles vorbereitet. Sie haben im Wohnzimmer verschiedene Stationen wie Weihnachten, Silvester, Geburtstag, Taufe, Ostern und Grillfeste dekoriert. All das wurde in unserem Haus gefeiert und hier bei den einzelnen Stationen klein nachgefeiert, zum Beispiel Silvester mit einem Glas Sekt, Weihnachten mit kleinen Geschenken für Kristian und mich. Es war wunderschön und liebevoll vorbereitet. Da an diesem Tag Muttertag war, überreichten mir unsere drei Töchter und zehn Enkelkinder jeweils eine Rose. Es war sehr bewegend. Mit diesem großen Fest verabschiedeten wir uns alle gemeinsam von unserem Haus. Auch mit unseren Nachbarn machten wir eine Verabschiedungsfeier und ließen die Erinnerung an viele gemeinsame Erlebnisse und Begebenheiten noch einmal an uns vorüberziehen.
Ab ins neue Abenteuer
Tief bewegt und mit Trauer übergaben wir im Sommer 2015 unser Haus an eine sehr nette junge Familie. Nach der Schlüsselübergabe fuhren wir nur ein kleines Stück und mussten dann stehenbleiben, weil uns die Tränen übermannten. Einerseits war in mir eine große Anspannung, andererseits machte sich ein tiefer Friede in meinem Herzen breit. Ich wusste, Gott hatte das alles so wunderbar vorbereitet. Es hat alles so hervorragend funktioniert, so gut hätten wir es selbst gar nicht planen können, denn auch beim Verkaufen unseres Hauses konnten wir Gottes Führung erkennen.
Wir hatten zwar eine Wohnung in unserer neuen Umgebung, aber Kristian hatte seinen Arbeitsplatz in Salzburg und musste noch einige Monate bis zum Pensionsantritt arbeiten. In diesen Monaten pendelten wir zwischen Schwanberg und Salzburg und konnten bei unserer Tochter in Freilassing wohnen. Die gute Beziehung mit unserer Tochter und ihrer Familie in dieser Zeit hat uns sehr motiviert und gut getan.
Anfang November 2015 war dann der Zeitpunkt für die endgültige Übersiedelung in unsere neue Heimat. Bei mir war ein wichtiger Teil der Trauer arbeit gemacht und die Freude trat in den Vordergrund. Dazu kam, dass es meinem Mann während der bisherigen Therapie relativ gut ging. In der neuen Wohnung hingen Luftballons an der Eingangstür und unsere neuen Nachbarn empfingen uns mit einem riesigen Blumenstrauß und einem liebevollen Willkommenskärtchen.
Herausforderung durch die neue Zeit zu Zweit
Wir leben jetzt in einer wunderschönen Landschaft, der steirischen Toskana. Die Menschen hier sind sehr offen und urgemütlich. Unser turbulentes Leben wurde ruhiger. Seit Jänner 2016 ist Kristian in Pension und ist jetzt jeden Tag zu Hause und wir machen alles gemeinsam. Wir wünschten uns das schon lange und trotzdem fühlt sich das Leben so anders an als bisher. Früher ging Kristian morgens weg und ich wirbelte durch das Haus wie ich wollte. Ich teilte mir den Tag mit meinen Terminen, Telefonaten und Besuchen selber ein. Und jetzt hatte ich niemanden außer meinen Mann zu reden. In mir lief es unrund obwohl ich in meinem Herzen wusste, dass es die richtige Entscheidung war und Gott einen Plan hier für uns hat. Ich war an ein turbulentes Leben gewöhnt und hatte mich oft nach Ruhe gesehnt. Jetzt war es mir zu ruhig. Zum Glück gibt es ein Telefon und das nützte ich anfangs sehr oft.
Wir fühlen uns hier wohl und haben unser neues Zuhause gefunden. Ich bin gespannt, was Gott in Zukunft mit uns vor hat.
Elisabeth Malkus ist verheiratet, hat drei Töchter und zehn Enkelkinder. Sie hat dreißig Jahre als Geschäftsfrau gearbeitet und macht jetzt die Ausbildung zum Christlichen Lebens-und Sozialberater und arbeitet bei „befreit leben“ mit.
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Ehe und Familien Bausteine Nr. 101. Sie können diese Zeitschrift kostenlos als pdf-Datei bekommen, wenn Sie sich beim Newsletter anmelden.
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