Selbstliebe und Familie

Zwischen Egoismus und selbstverleugnender Aufopferung findet sich irgendwo eine gesunde Selbstliebe, die in einem sozialen System für alle Beteiligten positiv wahrnehmbar ist.

Erich Fromm beschreibt das in „Die Kunst des Liebens“: „Wenn man die Möglichkeit hat, die Wirkung einer Mutter mit echter Selbstliebe zu beobachten, kann man feststellen, dass es für ein Kind und sein Erlebnis dessen, was Liebe, Freude und Glück sind, nichts Förderlicheres gibt, als von einer Mutter geliebt zu werden, die sich selbst liebt.

Die erste Liebe in unserem Leben ist die Mutterliebe: „Ich werde geliebt, weil ich bin.“, diese erste Erfahrung der Mutterliebe unterliegt keinen Bedingungen und bedeutet Seligkeit und Frieden. Geliebt zu werden allein aufgrund unserer Existenz und ohne bestimmte Voraussetzungen – eine bedingungslose Liebe also – ist die tiefste Sehnsucht eines jeden Menschen. Jedoch auch Mütter können Liebe nur leben und geben, soweit sie diese selbst erfahren haben.

Jeder von uns hat seine persönliche Lebens- und Lerngeschichte und hat in der Kindheit oftmals Ermahnungen und Kritik gehört und erlebt. Dadurch lernten wir, welches Verhalten erwünscht bzw. unerwünscht war. Der Zusammenhang zwischen den Botschaften unserer Eltern und unserem heutigen Selbstbild ist uns meist nicht bewusst. Im Erwachsenenalter leiten uns innere Stimmen, die uns ermahnen, kritisieren und unsere Entscheidungen beeinflussen. Sie bilden unsere Glaubenssätze. So werden wir von früh erworbenen Mustern bestimmt, suchen die Bestätigung von außen und achten oftmals nicht auf unsere Bedürfnisse.

Folgen mangelnder Selbstliebe

Mangelnde Selbstliebe ist die Ursache vieler Beziehungskonflikte. Wir sind auf der Suche nach Liebe, Anerkennung und Bestätigung durch die anderen. Sich selbst zu lieben hat nichts mit Egoismus zu tun. Wir sind dann egoistisch, wenn wir uns selbst zu wenig lieben und die Liebe von anderen einfordern.

Wenn wir über uns geringschätzig denken und uns ablehnen, kann es sein, dass wir uns aus der persönlichen Unzufriedenheit heraus häufig angegriffen und verletzt fühlen. Das führt häufig zu Ärger, Eifersucht oder Schuldgefühlen. Die Folge von geringer Eigenliebe können psychosomatischer Erkrankungen sein, wie z.B. Depression, Panikattacken, Burn Out, Erschöpfungszustände, Identitätsverlust und Essstörungen. Viele Frauen in unterschiedlichsten Lebensphasen, insbesondere Frauen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, sind stark auf Beziehung und Partnerschaft ausgerichtet. Sie haben als Mädchen gelernt, sich selbst zurückzustellen, sich anzupassen und den Wünschen anderer zu entsprechen. Dabei kann sich das fehlende Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen körperlich und seelisch belastend auswirken.

Die Frage nach Selbstliebe stellen sich viele Frauen überhaupt nicht. Sie sind so sehr in ihren Aufgaben und Verantwortlichkeiten gefangen. Der Alltag lässt ihnen keinen Spielraum, sich mit Gedanken über sich selbst zu beschäftigen. Die alltäglichen Herausforderungen werden bewältigt, ohne dies zu hinterfragen und ohne sich der Verantwortung gegenüber ihrer eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit bewusst zu sein. Ab der Lebensmitte führen vor allem für Menschen mit wenig Selbstliebe Lebensumbrüche zu Krisen. Da sind zum Beispiel Midlife Crisis, Leeres Nest Syndrom, Pensionsschock zu nennen. Ebenso sind Todesfälle in der Familie und im Bekanntenkreis, Krankheiten, Probleme des Alterns und vor allem die Ahnung der eigenen Endlichkeit besondere Herausforderungen.

Während Männer mit Problemen wie Rückgang von Stärke und Leistung, Ängste, Selbstzweifel, Niedergeschlagenheit und Identitätssuche herausgefordert sind, werden Frauen mit Mehrfachbelastung hinsichtlich Beruf-Haushalt-Kindererziehung gefordert und mit Ängsten und der Wut, den Erwartungshaltungen entsprechen zu müssen, konfrontiert. Nach Jahren des kräfteraubenden Einsatzes in ihren Lebensbereichen stellt sich die Frage:“ War das alles, wo bleibe ich, habe ich noch andere Möglichkeiten, meine Fähigkeiten auszudrücken?

Selbstliebe in der Partnerschaft

Wenn Paare sich finden, kommen Menschen mit verschiedensten Persönlichkeitsanteilen zusammen, die in die Partnerschaft einfließen. Selbstliebe ist wie ein Gradmesser für die Qualität unserer Beziehung. Paare sind oft der Meinung, der andere muss den ersten Schritt tun und erwarten sich von dem anderen die gewünschte Veränderung. Dies führt zu einer ungesunden Dynamik und oftmals zur Trennung. Wird nach einer Trennung eine neue Beziehung eingegangen, unterliegt diese nach der anfänglichen Verliebtheit denselben Gesetzmäßigkeiten wie die vorige Beziehung.

Ein „Ja“ zu mir bedeutet, Ängste zuzulassen, seelische Wunden und den damit verbundenen Schmerz zu akzeptieren. Auch wenn es sehr weh tut, sich den Verletzungen der Vergangenheit zu stellen und alte Muster zu bearbeiten, ist es dann doch sehr ermutigend und entlastend und stärkt den Selbstwert. Ein Mensch, der Verantwortung für sein Leben übernimmt, weiß, dass der Schmerz in seinem Leben nicht durch den anderen, sondern nur durch ihn selbst beendet werden kann.

Es macht Sinn, von Anfang an Beziehungspflege zu betreiben, sich zu bemühen, Krisen zu überwinden oder eine Paarberatung aufzusuchen, wenn Hilfestellung notwendig ist.

Der Apostel Paulus schreibt in einem Brief (Kolosser, Kapitel 3, Verse 14+15): „Wichtiger als alles andere ist die Liebe. Wenn ihr sie habt, wird euch nichts fehlen. Sie ist das Band, das euch verbindet. Und der Friede, den Christus schenkt, soll euer ganzes Leben bestimmen“.

 

Monika Schaufler ist seit 35 Jahren mit Klaus verheiratet, hat zwei Söhne, eine Tochter und eine Enkeltochter. Sie machte neben ihrer Tätigkeit im Sekretariat der Evang. Jugend OÖ die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin.

Literaturangabe:

Die Kunst des Liebens, Erich Fromm, Ullstein Verlag, 1993

  1. Standenat, „So lerne ich mich selbst zu lieben,“ Kneipp Verlag, 2006.
  2. Nuber, Lass die Kindeheit hinter dir, dtv, 2013.
  3. u. S. Gatt, „Unverschämt glücklich,“ Goldegg Verlag, 2015

Dieser Artikel ist in den Ehe und Familien Bausteinen Nr. 105 von Familiy Life Mission Österreich erschienen.

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