Vom Frosch zum Prinz

Märchen halten uns manchmal einen Spiegel vor, der uns zeigen soll, wie wir leben. In Sachen Liebe gehen bei vielen Menschen beim Anblick eines Frosches die Gedanken zu den Gebrüder Grimm. Jeder darf sich dabei selber in seiner Rolle entdecken.

Auf den Tischen beim Frauenfrühstück war als Deko je ein Froschpärchen. Beide trugen Kronen auf dem Kopf, hatten aber keinen Blickkontakt, weil sie einander den Rücken zuwandten. Man gab mir nach dem Vortrag solch ein Paar mit nach Hause. Und während ich es betrachte, frage ich mich: Verhalte ich mich manchmal nicht auch wie ein Frosch, drehe dem anderen den Rücken zu, fühle mich besser als er, habe noch nicht entdeckt, dass sich im anderen ein König verbirgt?

Ich las das Märchen der Gebrüder Grimm. Da fällt der Königstochter ihre goldene Kugel in den Brunnen. Ein Frosch bietet ihr an, die Kugel aus der Tiefe zu holen mit der Bedingung, danach in ihrer Gesellschaft bleiben zu dürfen. Die Königstochter sagt zu und bekommt die Kugel zurück. Den Frosch aber will sie nicht belohnen. Ihr Vater, der König, erinnert sie an ihr Versprechen. Die Tochter muss fortan mit dem Frosch leben. Als dieser auch noch beansprucht, mit ihr im selben Bett zu schlafen, rastet sie endgültig aus und wirft den Frosch an die Wand. Zu ihrem Erstaunen verwandelt er sich in einen Prinzen. Und nun erzählt er von dem bösen Zauber, der ihn zum Frosch gemacht hat.

Was bedeutet dieses Märchen für meine Ehe? Man möchte die goldene Kugel, aber die damit verbundenen Unannehmlichkeiten will man nicht. Sich selbst findet man in Ordnung, den anderen versteht man nicht in seinen Eigenheiten und Bedürfnissen.

Vielleicht lernte die Königstochter erst ihren eigenen ´Froschcharakter´ kennen, als sie das Tier an die Wand schleuderte. Möglicherweise brauchte es die innere Erschütterung über ihr eigenes Verhalten, bevor es zur Verwandlung des Frosches in den Prinzen kommen konnte.

Wer oder was hat unseren Partner – und auch uns – zum Frosch gemacht?

Müssen wir zuerst selbst versagen, bevor wir barmherzig werden?

Wann geben wir unsere Opferrolle auf und hören auf, nur den goldenen Ball zu wollen?

Wir sollten Erfahrungen austauschen, die uns verändert haben – wie den Prinzen zum Frosch: Dinge, die uns Angst machten und immer noch Angst machen; Verletzungen, die uns klein machten; Menschen, die uns unsere Würde raubten. Vielleicht könnten wir dann manche Reaktionen besser verstehen. Statt den Frosch an die Wand zu werfen, sollten wir ihn küssen. Statt uns über ihn zu ärgern, sollten wir ihn bitten: „Erzähl mir deine Geschichte“. Dann würde der Satz folgen, nach dem jeder sich sehnt: „Eigentlich hab’ ich dich sehr lieb, und ich würde dich schrecklich vermissen, wenn du nicht da wärst!“ Und vielleicht würden wir dann beim anderen die Krone sehen.

Merke:

Wer sich in den goldenen Ball verliebt statt in den Frosch, wird nie den Prinzen entdecken!

Zum Nachdenken:

Mit einem neuen Herzen von Gott bekommen wir auch einen neuen Herzschlag für unseren Ehepartner. Und der neue Geist ist der Dolmetscher, der uns die Sprache unseres Gegenübers richtig interpretieren lässt und Antworten schenkt, die verbinden, vergeben und heilen.

Ruth Heil Ruth Heil ist Autorin von über 40 Büchern, seit 46 Jahre verheiratet und Mutter von 11 Kindern. Sie lebt in Deutschland, in der Nähe der französischen Grenze

 

Dieser Artikel ist im Rundbrief von Family Life Mission International Nr. 140/März 2017 und in der Zeitschrift „Ehe und Familien Bausteine“ Ausgabe 103 erschienen.

 

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar